Gemeinsam Schönes entdecken, lesen, schreiben, ohne Häme, ohne Kritik, das ist unser Anliegen. Ich werde in Euren Beitragen nichts ändern oder korrigieren, denn keiner soll sich kontrolliert fühlen. Viel Freude am Schreiben und Lesen FvB

Reepen






                        Marianne Reepen







Die Tage
zwischen den Festen,
erscheinen mir fast,
als die besten.

Das Sinnen ist froh
und so ungestört,
weil die Seele so recht
der Besinnung gehört.

Die Ruhe erquickt,
wenn das Herz ist erfreut,
wenn ein Liedlein erklingt
und dich gar nichts gereut.

So dürfte es gern
eine Weile noch bleiben,
nur Musizie hilft dir,
die Zeit zu vertreiben.


© Marianne Reepen




Das Märchen vom Bruder Tag 


und seiner Schwester, der Nacht

Wenn der Tag, beladen voller Ideen und Energien in der Dämmerung zur Ruhe

kommen darf, geht er zu einem sanften Hügel,

dahin,   wo seine Schwester,

die Nacht, schon auf ihn wartet.
Sie umarmen sich,  setzten sich und schauen in die Ferne.
Schweigend weilen sie nebeneinander. Sie müssen sich nicht viel sagen.
Sie spüren miteinander, wie ihre Herzen schlagen – und was sie sich sagen möchten, das erleben sie in geschwisterlicher Liebe zueinander, denn sie sind ja miteinander alt geworden und kennen  Millionen von Erlebnissen der Menschen.
Nur manchmal, wenn eine ungeheuerliche Neuigkeit geschehen ist, dann sprechen sie miteinander,  dann müssen sie einander ihre Herzen ausschütten.
Wir sehen es nicht, weil wir so sehr beschäftigt sind. Wir ahnen es, wie ein Wetterleuchten, so, wie wir es wohl bei weit entfernten Gewittern kennen.
Schließlich kommt dann doch eine geborgene Ruhe über sie. Sie  sitzen noch etwas nebeneinander und warten auf den langsamen Abschied, der jeden Abend und jeden Morgen sich erneut vollzieht.
Und während der Tag immer müder wird und vollends im Traum versinkt, entfernt sich die Nacht schweigend und geht in ihre unendlich tiefe, dunkle Weite, dahin, wo das rege Leben in all seinen Farbnuancen  pulsiert.
Sie erkennt, wo das Schweigen regiert und wo die Trauer lebt, wo ein Schrei in mitternächtlicher Stille durch das Dunkel hallt, wo Tod und Leben duldend nebeneinander liegen.
Sie nimmt alles in sich auf und schweigt zu dem Geschehen. Sie ist neutral, so, wie ihr Bruder, der Tag. Sie sind beide einfach nur da.
Und wenn sich beide zu Beginn der blauen Stunde  wieder auf dem Hügel treffen,
sitzen sie wieder da und übergeben sich schweigend ihre Aufgaben, die dort ineinander fließen, immer und immer wieder.
Ich möchte sie nicht missen, nicht den Bruder Tag und auch nicht seine  Schwester, die Nacht.
 © Marianne Reepen




Märchen vom alten Weiblein...





Da hockt das Weiblein an einem schattenspendenden Baum, angelehnt an seinen Stamm. Es fühlt sich geschützt von seiner weiten, runden Krone, dessen Zweige so tief sich herunterneigen, dass man es kaum dort im hohen Gras wahrnimmt. Es atmet alle frühlingshafte Luft in sich hinein, belauscht das Zirpen der Grillen und beobachtet Käfer und Schmetterlinge, die dort leben.



Das Weiblein liebt diesen Baum, in dessen Inneren es so buntfarben ist, wie ein leuchtender paradiesischer Garten, denn er trägt ein unsichtbares Geheimnis in sich, das manche Menschen nur erahnen können, wenn sie sich neben es unter den Baum setzen.



In allen Blättern des Baumes verbergen sich Träume, und ab und zu löst sich ein Blatt und fällt dem Weiblein in den Schoß.

Dann beugt es sich zu ihm hinab, nimmt es in die Hand, besieht es liebevoll, streicht ganz sacht mit seinen Fingern über seine Adern, und plötzlich beginnt das Blatt zu leuchten und ganz feine Melodien von sich zu geben, und nur die Alte kann diese Melodien hören.



Dann nimmt sie eine Feder, die ein Vogel sich ausgerupft hat, um es dem Weiblein zu schenken, und plötzlich geschieht ein kleines Wunder, denn alles beginnt vor Freude zu strahlen, bricht sich durch die Blätter der Baumkrone einen feinen Weg hin zu den Wolken, und die Wolken erröten vor lauter Seligkeit.



So ziehen sie davon über alle Lande und lassen ab und zu ein winziges Regentropfenglück auf die Erde fallen.



Ob das Weiblein nun noch unter dem Baum sitzt?



Ab und zu gehen Kinder zum Baum und schauen nach ihm...



© Marianne Reepen