Gemeinsam Schönes entdecken, lesen, schreiben, ohne Häme, ohne Kritik, das ist unser Anliegen. Ich werde in Euren Beitragen nichts ändern oder korrigieren, denn keiner soll sich kontrolliert fühlen. Viel Freude am Schreiben und Lesen FvB

Sonntagsfreude


von Marianne Reepen 

Der Duft der kleinen Honigkerze,
geschützt durchs kleine Schirmchen,
aus festem, buntem Glas,
mit leuchtendwarmen Sommerfarben,
steigt wohlig mir ins Riechorgan.
Und endlich fing der Sommer an.

So manche schöne Augenweide,
ist heute meine stille Freude,
denn leuchtend grüßt die Orchidee,
die ich am Fenster grünen seh’-
im weißen Blütenkleide.

Ein weicher Wind berührt die Bäume.
Von ferne grüßt die Trauerweide.
Es ist die helle Sommerfreude,
die wieder mich umfängt,
und nichts mehr ist beengt.

Mein Blick schweift in die Ferne,
ins Träumeland der lieben Poesie.
Ich mein’- ich hört’ die Stille sprechen,
und möchte sie nicht unterbrechen,
denn sie tut der Seele gut.

Du Herze mein,
fass immer wieder neuen Mut,
denn alles, was mir tut so gut,
erleb’ es immer wieder-
möcht’ singen Dankeslieder.

Von Gnade und Recht will ich singen




Ich habe wohl in den vergang'nen Jahren
So manches Lied von eit'ler Lust gesungen,
Nach eig'nem Glück und eig'nem Ruhm gerungen,
Doch Bess'res hab' ich nun, Gott Lob! erfahren.

Ein Wörtlcin hat mir Gott ins Herz gegraben,
Das ist mein Lied, mein Licht und meine Freude,
Mein Schild, mein Schwert und bester Trost im Leide,
Und gehet weit, weit über alle Gaben.

Es heißet Gnade, Gnad' um Jesu willen!
O könntet ihr nur recht dies Wörtlein fassen,
Ihr würdet alles And're liegen lassen,
All' einen Durst an diesem Quell zu stillen.

Dies Wörtlein bringet solchen tiefen Frieden,
Daß von den Stürmen, von dem Schlamm der Erden
Die stille Seele kaum berührt kann werden
Und Alles träget, ohne zu ermüden.

Nicht sag' ich, daß ich's schon ergriffen habe,
Noch, daß ich schon im Glauben sei vollkommen;
O nein, den Wahn hat mir mein Gott genommen,
Nur beten, ringen will ich bis zum Grabe.

Reich' mir die Hand! so will ich weiter gehen,
Wie Du mich führest ans dem steilen Pfade;
Nur eines bitt' ich: laß mir Deine Gnade, —
Sonst — was Du willst, o Herr, laß mir geschehen!

Reich' mir die Hand! mein Lieben und Vermögen
Ist schwankend, ungetreu zu jeder Stunde:
O halte Du mich fest! — mit Dir im Bunde
Geh' ich durch Sturm und Nacht dem Licht

Julie Katharina von Hausmann 
(* 7. März 1826 in Mitau; † 15. August1901 in Võsu, Estland) 
war eine deutsch-baltische Dichterin, die vor allem durch ihr später von Friedrich Silcher vertontes Gedicht >So nimm denn meine Hände < Weltberühmtheit erlangte.

Fröhlich Neujahr

von Stine Andresen  


Fröhlich Neujahr ruft's entgegen
Heute sich von Mund zu Mund!
Mög doch dieses Grußes Segen
Recht uns gehn von Herzensgrund,
Daß wir in der That bewähren
Diesen Wunsch, so inhaltsvoll,
Uns zum Segen, Gott zu Ehren
Und zu unsrer Brüder Wohl.

Fröhlich Neujahr allen Freunden
Mit dem warmen Druck der Hand,
Und Versöhnung mit den Feinden:
So nur sind wir Gott verwandt.
Haß und Feindschaft, Falschheit, Tücke,
Alles, was sich nicht bewährt,
Werft es hinter euch zurücke,
Alles Böse sei verjährt.

Fröhlich Neujahr! Allen Armen
Warmes Kleid und täglich Brot!
Habt, ihr Reichen, habt Erbarmen,
Lindert gern der Armen Not!
Jeder hartbedrängten Seele,
Darbend still, in Einsamkeit,
Daß ihr nie der Tröster fehle,
Hülf' und Rat zur rechten Zeit!

Fröhlich Neujahr allen Kranken!
Mögen sie Genesung schaun,
Und, die in Verzweiflung sanken,
Neuen Mut und Gottvertraun!
Allen Traurigen und Müden,
Allen, die an Gräbern stehn,
Mög' im neuen Jahre Frieden,
Trost und Hoffnung auferstehn!

Fröhlich Neujahr! Weit soll's klingen
Uebers Meer zum fernen Strand,
Soll zu unsern Lieben dringen
Wie ein Gruß vom Heimatland!
Die mit uns nicht konnten tauschen
Händedruck und Liebeskuß,
Mög' sie freundlich dort umrauschen
Aus der Heimat unser Gruß.

Fröhlich Neujahr! All' ihr Brüder
Auf dem weiten Erdenland!
Groß und Klein und Hoch und Nieder,
All' umschling' der Liebe Band.
Laßt uns denn im neuen Jahre
Guter Thaten Samen streun,
Daß wir mögen bis zur Bahre
Ihrer Früchte uns erfreun.

Weihnachten

von Kurt Tucholsky  


So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!


Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
- bei Deutschen fruchtet keine Lehre -
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse gröhlt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!



Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mir der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!

In der Nacht vorm Christ

von Gustav Falke  


In der Nacht vorm Christ fängt's an zu schnei'n,
die Welt liegt still, als schliefe sie ein.
Der Engel tritt an den Waldessaum
und trägt einen brennenden Weihnachtsbaum.

Äpfel und Nüsse sind daran
und auch ein Herz aus Marzipan.
Und der Lichtlein leuchten wohl hundert und mehr
und streuen ihren Schimmer weit umher.

Der Engel lugt ins schlafende Land
und steigt hinab, den Baum in der Hand,
und unten geht er von Haus zu Haus,
weht keins der himmlischen Lichter aus.

In alle Fenster sieht er hinein,
ob da auch schlafende Kinder sein,
da geht ein Lächeln durch ihren Traum,
und sie träumen alle vom Weihnachtsbaum.

Große Kinder und alte Leut
sagen dann wohl stillerfreut:
"Morgen Abend um diese Zeit",
Und sehn zum Fenster hinaus, wie's schneit.

Ganz leise fallen die Flocken und dicht,
ist alles so still und weiß und licht,
nur ganz Kluge, Helläugige seh'n
vom Engel noch leichte Spuren geh'n.

Als ob ein zierliches Rehlein lief,
ganz obenhin, sank gar nicht tief.
Blieb aber, riech nur, in der Luft
so ein seltsamer süßer Duft.

Und liegt überm Land und weit hinein
so ein stiller, himmlischer Schein
wie auf der schlafenden Kinder Gesicht
der Widerschein vom Weihnachtslicht.

Drei Tage vor Weihnachten


von Adolf Ey


Wie ich in der Dämmerung sacht
Drei Tage vor der heiligen Nacht
In dem bauschigen weiten Pelze
Durch die wirbelnden Flocken stelze,
Auf dem Graukopf die rauhe Mütz,
Ducknackt wie der alte Fritz,
Und das Runzelgesicht mit dem langen
Windverwehten Bart umhangen,
Hör ich hinter mir immer mehr
Kleine Füßchen trippeln daher.
Das trappelt und hüpft grad wie die Spatzen,
Und wie sie piepsen und wie sie schwatzen!
Und wie ich endlich um mich seh,
Stehn sieben Zwerglein in dem Schnee.
Drängen sich an mich dicht und dichter,
Lauter fragende Kindergesichter,
Und das Kleinste spricht und sieht mich an:
„Du, bist Du wirklich der Weihnachtsmann?"
Da hab ich denn frisch drauf los gelogen,
Bin mit ihnen zu dem Bäcker gezogen,
Und als mit Kake und Praline
Wir nachher standen drauß im Schnee,
Da sprach das kleinste Männchen bieder:
„Morgen punkt sechs, da kommen wir wieder!"