Gemeinsam Schönes entdecken, lesen, schreiben, ohne Häme, ohne Kritik, das ist unser Anliegen. Ich werde in Euren Beitragen nichts ändern oder korrigieren, denn keiner soll sich kontrolliert fühlen. Viel Freude am Schreiben und Lesen FvB

Zeit und Unendlichkeit


Gertraud Groß


wo kein Anfang da kein Ende
keine Grenzen keine Wände
kein Beginn und auch kein Schluss
wie man so was denken muss

wie soll man das nur begreifen
das die Dinge in sich reifen
in sich wachsen und auch schwinden
sich in Andrem wiederfinden

sich so um und um formieren
und im neuen Stoff verlieren
sich zu Kräften aufgebaut
und zu Massen angestaut

um sich dann erneut zu lösen
und zu andren neuen Wesen
werden reifen und vergehn
so ist das nur zu verstehn

alles auch das denkend Leben
muss sich unentwegt neu weben
sich anpassen oder gehn
in Äonen leis verwehn

so seh ich die Ewigkeit
hat zu tun nichts mit der Zeit
die der Mensch sich hat ersonnen
und verbunden mit der Sonnen

dies ist nur um zu vermessen
und die Treffen nicht vergessen
das ist von der Ewigkeit
nicht ein Wimpernschlag der Zeit



Alten Wortes – neu gedenk *)



Was kümmert´s stolzen Baum im Wald,
 an dessen Stamm ein Würmlein krallt,
das mit seiner schleim´gen Kraft
bis zu ihm es hingeschafft.
Da hängt es nun mit seinem Gifte
und verpestet gute Lüfte.
Doch des Baumes reicher Wipfel
reicht schon an des Himmels Zipfel,
von dessen Blau der eitle Wurm
erhofft sich eignen Sieg im Sturm.

Da kommt der Förster, Stirn in Falten,
sieht des Schmarotzers Eigenwalten.
Er klaubt den Wurm so tief im Walde
und wirft ihn auf die Abfallhalde,
wo es stark stinkt zu Würmleins Grämen
und es ihm ziemt, sich arg zu schämen.
Dieweil des Baumes sanftem Rauschen
Faun und Flora glücklich lauschen.

So hält der Ursprung mancher Sage
sich selbst bis heut in unsre  Tage.
Die Wahrheit zeigt  sich fest vernetzt:
Der Baum spürt´s kaum, was an ihm wetzt.
Es hält sich Abdruck blinden  Fimmels
nie in der Nähe hellen Himmels.

So wird es bösen Würmern gehn:
Sie sind längst tot, doch Bäume wehn.
(Für F.v.B.
in Freundschaft)
#Tilly Boesche-Zacharow
*)Das geflügelte Wort, um das es geht:

Was kümmert es die stolze Eiche, wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt!



Ein Teilchen Gestern





Dort wo der Wald mit grüner Zunge
am Gold des Weizenfeldes schleckt,
hab' ich in jenen fernen Jahren
ein Birkenrindenherz versteckt.

Da war ich jung noch und behende
und kein Gedanke kam mich an,
dass dies ein Frevel sei gewesen
und sich nicht ziemte für den Mann.

Ob es noch gibt den Baum mit Herze,
der so wie ich war jung und schlank?
Und ob am Weg ganz der der Nähe
zum Ruhen einlädt dort die Bank?

Gedanken kommen und vergehen.
Die Zeit enteilt, nimmt vieles mit.
In uns verbleibt ein Teil vom Gestern,
das nicht an dem Vergessen litt.

Otmar Müller




Sonntagsfreude


von Marianne Reepen 

Der Duft der kleinen Honigkerze,
geschützt durchs kleine Schirmchen,
aus festem, buntem Glas,
mit leuchtendwarmen Sommerfarben,
steigt wohlig mir ins Riechorgan.
Und endlich fing der Sommer an.

So manche schöne Augenweide,
ist heute meine stille Freude,
denn leuchtend grüßt die Orchidee,
die ich am Fenster grünen seh’-
im weißen Blütenkleide.

Ein weicher Wind berührt die Bäume.
Von ferne grüßt die Trauerweide.
Es ist die helle Sommerfreude,
die wieder mich umfängt,
und nichts mehr ist beengt.

Mein Blick schweift in die Ferne,
ins Träumeland der lieben Poesie.
Ich mein’- ich hört’ die Stille sprechen,
und möchte sie nicht unterbrechen,
denn sie tut der Seele gut.

Du Herze mein,
fass immer wieder neuen Mut,
denn alles, was mir tut so gut,
erleb’ es immer wieder-
möcht’ singen Dankeslieder.

Von Gnade und Recht will ich singen




Ich habe wohl in den vergang'nen Jahren
So manches Lied von eit'ler Lust gesungen,
Nach eig'nem Glück und eig'nem Ruhm gerungen,
Doch Bess'res hab' ich nun, Gott Lob! erfahren.

Ein Wörtlcin hat mir Gott ins Herz gegraben,
Das ist mein Lied, mein Licht und meine Freude,
Mein Schild, mein Schwert und bester Trost im Leide,
Und gehet weit, weit über alle Gaben.

Es heißet Gnade, Gnad' um Jesu willen!
O könntet ihr nur recht dies Wörtlein fassen,
Ihr würdet alles And're liegen lassen,
All' einen Durst an diesem Quell zu stillen.

Dies Wörtlein bringet solchen tiefen Frieden,
Daß von den Stürmen, von dem Schlamm der Erden
Die stille Seele kaum berührt kann werden
Und Alles träget, ohne zu ermüden.

Nicht sag' ich, daß ich's schon ergriffen habe,
Noch, daß ich schon im Glauben sei vollkommen;
O nein, den Wahn hat mir mein Gott genommen,
Nur beten, ringen will ich bis zum Grabe.

Reich' mir die Hand! so will ich weiter gehen,
Wie Du mich führest ans dem steilen Pfade;
Nur eines bitt' ich: laß mir Deine Gnade, —
Sonst — was Du willst, o Herr, laß mir geschehen!

Reich' mir die Hand! mein Lieben und Vermögen
Ist schwankend, ungetreu zu jeder Stunde:
O halte Du mich fest! — mit Dir im Bunde
Geh' ich durch Sturm und Nacht dem Licht

Julie Katharina von Hausmann 
(* 7. März 1826 in Mitau; † 15. August1901 in Võsu, Estland) 
war eine deutsch-baltische Dichterin, die vor allem durch ihr später von Friedrich Silcher vertontes Gedicht >So nimm denn meine Hände < Weltberühmtheit erlangte.

Fröhlich Neujahr

von Stine Andresen  


Fröhlich Neujahr ruft's entgegen
Heute sich von Mund zu Mund!
Mög doch dieses Grußes Segen
Recht uns gehn von Herzensgrund,
Daß wir in der That bewähren
Diesen Wunsch, so inhaltsvoll,
Uns zum Segen, Gott zu Ehren
Und zu unsrer Brüder Wohl.

Fröhlich Neujahr allen Freunden
Mit dem warmen Druck der Hand,
Und Versöhnung mit den Feinden:
So nur sind wir Gott verwandt.
Haß und Feindschaft, Falschheit, Tücke,
Alles, was sich nicht bewährt,
Werft es hinter euch zurücke,
Alles Böse sei verjährt.

Fröhlich Neujahr! Allen Armen
Warmes Kleid und täglich Brot!
Habt, ihr Reichen, habt Erbarmen,
Lindert gern der Armen Not!
Jeder hartbedrängten Seele,
Darbend still, in Einsamkeit,
Daß ihr nie der Tröster fehle,
Hülf' und Rat zur rechten Zeit!

Fröhlich Neujahr allen Kranken!
Mögen sie Genesung schaun,
Und, die in Verzweiflung sanken,
Neuen Mut und Gottvertraun!
Allen Traurigen und Müden,
Allen, die an Gräbern stehn,
Mög' im neuen Jahre Frieden,
Trost und Hoffnung auferstehn!

Fröhlich Neujahr! Weit soll's klingen
Uebers Meer zum fernen Strand,
Soll zu unsern Lieben dringen
Wie ein Gruß vom Heimatland!
Die mit uns nicht konnten tauschen
Händedruck und Liebeskuß,
Mög' sie freundlich dort umrauschen
Aus der Heimat unser Gruß.

Fröhlich Neujahr! All' ihr Brüder
Auf dem weiten Erdenland!
Groß und Klein und Hoch und Nieder,
All' umschling' der Liebe Band.
Laßt uns denn im neuen Jahre
Guter Thaten Samen streun,
Daß wir mögen bis zur Bahre
Ihrer Früchte uns erfreun.

Weihnachten

von Kurt Tucholsky  


So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!


Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
- bei Deutschen fruchtet keine Lehre -
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse gröhlt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!



Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mir der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!

In der Nacht vorm Christ

von Gustav Falke  


In der Nacht vorm Christ fängt's an zu schnei'n,
die Welt liegt still, als schliefe sie ein.
Der Engel tritt an den Waldessaum
und trägt einen brennenden Weihnachtsbaum.

Äpfel und Nüsse sind daran
und auch ein Herz aus Marzipan.
Und der Lichtlein leuchten wohl hundert und mehr
und streuen ihren Schimmer weit umher.

Der Engel lugt ins schlafende Land
und steigt hinab, den Baum in der Hand,
und unten geht er von Haus zu Haus,
weht keins der himmlischen Lichter aus.

In alle Fenster sieht er hinein,
ob da auch schlafende Kinder sein,
da geht ein Lächeln durch ihren Traum,
und sie träumen alle vom Weihnachtsbaum.

Große Kinder und alte Leut
sagen dann wohl stillerfreut:
"Morgen Abend um diese Zeit",
Und sehn zum Fenster hinaus, wie's schneit.

Ganz leise fallen die Flocken und dicht,
ist alles so still und weiß und licht,
nur ganz Kluge, Helläugige seh'n
vom Engel noch leichte Spuren geh'n.

Als ob ein zierliches Rehlein lief,
ganz obenhin, sank gar nicht tief.
Blieb aber, riech nur, in der Luft
so ein seltsamer süßer Duft.

Und liegt überm Land und weit hinein
so ein stiller, himmlischer Schein
wie auf der schlafenden Kinder Gesicht
der Widerschein vom Weihnachtslicht.

Drei Tage vor Weihnachten


von Adolf Ey


Wie ich in der Dämmerung sacht
Drei Tage vor der heiligen Nacht
In dem bauschigen weiten Pelze
Durch die wirbelnden Flocken stelze,
Auf dem Graukopf die rauhe Mütz,
Ducknackt wie der alte Fritz,
Und das Runzelgesicht mit dem langen
Windverwehten Bart umhangen,
Hör ich hinter mir immer mehr
Kleine Füßchen trippeln daher.
Das trappelt und hüpft grad wie die Spatzen,
Und wie sie piepsen und wie sie schwatzen!
Und wie ich endlich um mich seh,
Stehn sieben Zwerglein in dem Schnee.
Drängen sich an mich dicht und dichter,
Lauter fragende Kindergesichter,
Und das Kleinste spricht und sieht mich an:
„Du, bist Du wirklich der Weihnachtsmann?"
Da hab ich denn frisch drauf los gelogen,
Bin mit ihnen zu dem Bäcker gezogen,
Und als mit Kake und Praline
Wir nachher standen drauß im Schnee,
Da sprach das kleinste Männchen bieder:
„Morgen punkt sechs, da kommen wir wieder!"