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Ellen stöhnte, denn ihre Mutter war mal wieder aus der Hintertür entschwunden. Schnell verließ sie das Haus und sah sich suchend um.
„Mama!“
„Ellen, sie ist hier!“ ertönte die Stimme der Nachbarin durch die Hecke.
Lisbeth, die Mutter hatte sich wieder einmal aufgemacht, ihr Zuhause zu finden, denn: „Ich muss heim, ich gebe doch eine Gesellschaft. Die stehen sonst alle vor der Tür.“
Tränen in den Augen bei Ellen und Nachbarin Gabi, denn dieser Zustand der Verwirrung wurde von Tag zu Tag stärker.
Das Haus der alten Dame war bereits verkauft worden, sie lebte bei der einen Tochter in Düsseldorf, war nun seit einer Woche bei der zweiten Tochter, zur Entlastung der Schwester, hier in Hannover, doch hier wie dort suchte sie ihr Vertrautes.
Sie konnte nicht dort im Haus bleiben, denn sie aß nicht mehr, lag nur noch in ihrem Bett oder suchte nach dem kürzlich verstorbenen Mann.
Die Töchter und der Sohn lebten nicht in der Nähe, Ellen fuhr aber 1x in der Woche in das verschlafene Soltau, um nach der Mutter zu schauen, blieb auch immer mal wieder mehrere Tage dort, doch der befragte Hausarzt schüttelte den Kopf.
Die 91 jährige, immer so tätige Geschäftsfrau hatte durch den Tod ihres Mannes, mit dem sie über 60 Jahre verheiratet gewesen war, hatte ihr den Tagesablauf, ihren Lebensinhalt verloren und sie war immer auf der Suche nach ihm.
Gabi hatte einen Einfall.
„Ellen, bring deine Mutter doch tagsüber in die Seniorenbetreuung, da hat sie Ablenkung durch Gleichaltrige und die richtige Betreuung.“
Lange Gespräche zwischen den Geschwistern, endlose Fahrerei, um auch eine wirklich gute Einrichtung zu finden führten endlich zu einem Ergebnis.
„Mama, wie wäre es, wenn du mal ohne uns einen Tag mit netten Leuten verbringen würdest?“ Ganz zaghaft wurde die Mutter in das neue Vorhaben eingeweiht und sie strahlte bei ihrer Antwort: „Na endlich komme ich hier mal raus, vielleicht kann ich da ja Mensch ärger dich nicht oder Kanaster spielen.“
So einfach sollte es sein?
Mit klopfendem Herzen brachten nun die Schwestern gemeinsam die Mutter das erste Mal gegen 9 Uhr 30 zu der Tagespflege, wo eine freundliche Mitarbeiterin sie in einem gemütlichen Aufenthaltsraum, dem Spielezimmer, sie den anwesenden Damen und Herren vorstellte.
Sofort wurde sie fröhlich aufgenommen in einem Kreis Kartenspielerinnen, die zur großen Freude der alten Frau, Kanaster spielten. Schnell waren die Töchter vergessen, die mit einem:“ Heute Nachmittag holen wir dich wieder ab!“ den Raum verließen.
Welch eine Freude und Erleichterung, dass die folgenden 2 Wochen ihre Mutter früh aufstand, sich anzog und mit freudiger Erwartung in den Tag schaute.
Und dann der Tag, als die Töchter mit der Mutter und mit Käthe, einer festen Bewohnerin, auf der Terrasse saßen und am Nachbartisch ein alter Herr schüchtern, aber freundlich herüber grüßte. Lisbeth erstarrte, dann breitete sich ein Leuchten auf ihrem Gesicht aus, sie stand auf, ging zu dem Tisch, begrüßte den Mann mit einem glücklichen: „Wo hast du denn gesteckt? Komm wir gehen jetzt ein wenig in den Park!“ und zog ihn fast an der ergriffenen Hand von seinem Sitz. Erst ein wenig ungläubig, aber dann glücklich zurücklächelnd, ließ er ihre Hand nicht los und so liefen sie, Hand in Hand, wie ein altes Ehepaar durch den Sommer, denn es änderte sich an diesem Glück nichts.
Die in der Vergangenheit lebende Frau meinte, ihr Mann sei wieder da und Ernst, so hieß der stille, vorher sehr einsame Mann, war selig, dass sie ihn an die Hand genommen hatte und mitnahm, den ungewohnten, bisher so schweren Alltag gemeinsam zu erleben.